Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) ab 01.01.2021 geht das deutsche Gesundheitswesen demnächst einen Riesenschritt in Richtung Digitalisierung: Doch das bahnbrechende Projekt ist „noch nicht rund“, sagen Kritiker. Die IKK BB erklärt, worauf Patienten bei der ePA jetzt genau achten sollten:
Wer kennt es nicht: Für den Arzttermin soll die letzte Röntgenaufnahme mitgebracht werden – das löst oft hektische Suche in Schubladen oder Ordnern aus. Oder gelbe Untersuchungshefte der Kinder quellen über von alten Befunden. Und wo liegt eigentlich mein Bonusheft für den Zahnarzt? Das soll ab 2021 besser werden: nie mehr suchen, keine lose Zettelwirtschaft, alles perfekt sortiert und hinterlegt in einer einzigen persönlichen Digitalakte – so das Versprechen der geplanten ePA für die Zukunft.
Doch die ePA stolpert schon, bevor sie losgelaufen ist. Warum? Scharf kritisiert wird die Einführung der ePA, die die Krankenkassen gemäß Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) bereits ab dem 1. Januar 2021 verpflichtend anbieten müssen, vor allem von Datenschützern. Laut dem Bundesdatenschutzbeauftragten Prof. Dr. Ulrich Kelber verstößt die Einführung der ePA nach den Maßgaben des Patientendaten-Schutz-Gesetzes gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Demnach können sich Versicherte, die ab 2021 die ePA nutzen wollen, zunächst nur für ein „Alles oder Nichts“ entscheiden. Unterstützt wird er vom Vorsitzenden des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, der durch den noch nicht behobenen Mangel um Akzeptanz und Vertrauen der Versicherten in die ePA fürchtet.
Kern der Digitalakte soll die Möglichkeit des ePA-Nutzers sein, frei zu entscheiden, wer was wann in seiner ePA zu sehen bekommt. Warum also ist diese Funktion nicht von Beginn an möglich?Liegt die Antwort im politischen Willen der Entscheider oder sind die technischen Möglichkeiten zum Zeitpunkt der Einführung noch begrenzt?
Es scheint, dass vor allem die gematik, die zu 51 Prozent der Bundesrepublik Deutschland gehört, diese Herausforderung einfach noch nicht hat lösen können: Lange war die ePA ein Projekt in ferner Zukunft. Doch nun rückt die Zukunft näher. Lösungen für das gravierende Datenschutzproblem wurden aber nicht gefunden.
Versicherte, die die ePA bereits ab 2021 nutzen wollen, müssen also wissen, dass in der ersten ePA-Generation sämtliche behandelnden Ärzte alle ihre Daten und Befunde einsehen können. Das heißt, ein Orthopäde sieht z. B. auch Inhalte einer laufenden Psychotherapie und umgekehrt.
„Auf diese Entmündigung möchte ich die Versicherten ganz deutlich hinweisen! Patientendaten sind hochsensible und persönliche Daten. Mit denen sollte sehr, sehr sorgfältig umgegangen werden. Es ist schade, dass die Bundesregierung die Patientenrechte hintenanstellt und somit, das zukunftsweisende Projekt „ePA“ in Misskredit bringt. Datenschutz und der Nutzen für die Versicherten sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden“, warnt deshalb Detlef Baer, Vorsitzender des Grundsatzausschusses im IKK BB-Verwaltungsrat. „Mit der Verpflichtung zur Einführung der ePA werden die Kassen gezwungen, gegen geltendes EU-Datenschutzrecht zu verstoßen. Die Kassen sitzen zwischen den Stühlen, denn sollten diese die ePA nicht ab nächstem Jahr anbieten, würden ihnen massive Sanktionen durch den Gesetzgeber drohen,“ erläutert Detlef Baer.
Das PDSG-Gesetz hat bereits den Bundestag passiert. Änderungen wären nur noch möglich, wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft. Krankenkassen müssen die ePA ab 01.01.2021 anbieten. Es liegt dann in der Verantwortung des Versicherten, ob er sich bereits jetzt für seine elektronische Patientenakte entscheidet. Oder ob er lieber abwartet und erst 2022 einsteigt, dann aber selbstbestimmt entscheiden kann, wer Einsicht in seine persönliche Akte bekommt. Auch, wenn so die „Zettelwirtschaft“ erst ein Jahr später endet.
Es gibt auch Stimmen, die von einem übertriebenen Datenschutz im Zusammenhang mit der ePA sprechen. Für sie stehen die Chancen eines weiter digitalisierten Gesundheitswesens durch die elektronische Patientenakte klar im Vordergrund.
Versicherte, auch der IKK BB, sollten jedenfalls vor Nutzung der ersten ePA grundsätzlich
abwägen: