Notfallversorgung
Wenn der Notfall plötzlich da ist
Freitagabend, Klaus-Dieter Schmidt (63) sitzt vor dem Fernseher und freut sich auf seine Lieblingsserie. Doch plötzlich plagen ihn heftige Ohrenschmerzen. Bis Montag, zur regulären Sprechstunde des HNO-Arztes, hält er das nicht aus. Ganz klar, er muss jetzt zum Arzt…
Früher wären diese Patienten meist auf direktem Weg in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses gefahren. Künftig soll die Erstversorgung gezielter gehen, per Anruf bei einer der gemeinsamen Notruf-Nummern 112 oder 116 117 – oder über ein Integriertes Notfallzentrum (INZ). Dort sollen Notfälle von geschultem Fachpersonal zur erforderlichen Behandlung weitergeleitet und, ihrer Erkrankung angemessen, zügig versorgt werden. Der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im letzten Sommer vorgelegte Gesetzentwurf „Reform der Notfallversorgung“ setzt genau hier an.
NOTFÄLLE ERKENNEN UND KOORDINIEREN
Das von den Trägern der Rettungsleitstellen (Rufnummer 112) und den Kassenärztlichen Vereinigungen (Rufnummer 116 117) gemeinsam getragene Gemeinsame Notfallleitsystem (GNL) wird in Zukunft die Koordinierung der Notfallversorgung übernehmen. Die dortigen Ärzte entscheiden dann an 7 Tagen die Woche, 24 Stunden lang darüber, wie geeignete Hilfe im Einzelfall aussieht: Zur Wahl stehen z.B. eine telemedizinische Behandlung per Videosprechstunde, ein Hausbesuch durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst, eine Notfallversorgung vor Ort oder im Extremfall eine Rettungsfahrt. Positiv für die Patienten ist auch, dass es eine bundeseinheitliche Regelung geben wird, wann direkt ein spezialisiertes Krankenhaus anzufahren ist. Das erspart dem Patienten unnötige Weiterverlegungen.
AMBULANT UND STATIONÄR ZUSAMMEN
Dreh- und Angelpunkt des Gemeinsamen Notfallleitsystems werden Integrierte Notfallzentren (INZ) an ausgewählten Krankenhäusern. Die entsprechenden Standorte bei uns im Land Brandenburg legt der gemeinsame Landesausschuss fest. In dem gemeinsamen Projekt übernehmen – wie früher auch – Vertragsärzte der Kassenärztliche Vereinigung in den Integrierten Notfallzentren die Ersteinschätzung und tragen die fachliche Verantwortung bei den Notfallbehandlungen.
Waren bisher ambulante, stationäre und rettungsdienstliche Notfallversorgung in Deutschland fast völlig getrennt organisierte Bereiche der medizinischen Versorgung, so sollen sie nun mit der Reform zu einem integrierten System – dem Gemeinsamen Notfallleitsystem (GNL) – weiterentwickelt werden.
„Die IKK BB begrüßt die Reformabsichten von Bundesgesundheitsminister Spahn. Es ist gut, dass mit dem Gemeinsamen Notfallleitsystem die bestmögliche Notfallversorgung der Patienten gesichert werden soll. Durch die enge Zusammenarbeit der Rettungsleitstellen und der notdienstlichen Versorgung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen wird den Patienten schnell geholfen, ohne die Notaufnahmen für echte Notfälle zu blockieren. Der IKK BB ist es auch wichtig, dass die Medizinische Notfallversorgung durch die Rettungsdienste als eigenständige Leistung der medizinischen Notfallrettung anerkannt wird,“ kommentiert Hivzi Kalayci, Mitglied des IKK BB-Verwaltungsrates und Vorsitzender des IKK BB-Finanzausschusses, das Gesetzesvorhaben.
Mit dieser Notfallreform, so das Fazit, erhalten einerseits alle Patienten schnell die für sie passende, medizinisch notwendige Hilfe, mit Unterstützung der inzwischen schon 13 kassenärztlichen Bereitschaftspraxen in Brandenburg. Gleichzeitig sorgt das Gesetz dafür, dass Notaufnahmen und Notfallrettung insgesamt entlastet werden: Das ist wichtig für die tatsächlich sehr schweren, sogar lebensbedrohlichen medizinischen Notfälle!
DIGITALE VERNETZUNG
Das Projekt ist in Teilen digital und blickt damit vorausschauend in die Zukunft der medizinischen Versorgung: Im Gemeinsamen Notfallleitsystem (GNL) werden die Beteiligten digitalen Zugriff auf alle Rettungseinsatzmittel sowie auf die Kapazitäten der Integrierten Notfallzentren bekommen. Auch sollen die Falldaten aus dem Gemeinsamen Notfallleitsystem oder dem Rettungseinsatz digital an das aufnehmende INZ oder Krankenhaus übermittelt werden.
Hivzi Kalayci: „Leider werden die fälligen Kosten in Höhe von geschätzten 25 Mio. Euro für die notwendige digitale Vernetzung laut Gesetzentwurf allein die Krankenkassen und damit die Versicherten tragen. Die finanzielle Verantwortung der Länder im Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge, die aus unserer Sicht auch die Investitions- und Vorhaltekosten im Rettungsdienst umfasst, bleibt leider im Entwurf des Notfallreformgesetzes unberücksichtigt.“
Zurück zu Klaus-Dieter Schmidt. Ein Anruf hat genügt, und er musste nicht mehr selbst entscheiden, ob der ärztliche Notfalldienst der Kassenärztlichen Vereinigung oder doch die Notaufnahme eines Krankenhauses die richtige Anlaufstelle für ihn ist. Ihm empfiehlt der Arzt am Telefon die Fahrt zum Integrierten Notfallzentrum. Dort wird ihn ein HNO-Facharzt untersuchen und ihm ein Rezept für das entsprechende Medikament ausstellen.